Meldungen aus dem Landesverband Hessen
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Zwangsarbeit in Fulda während der NS-Zeit

Projektwoche mit der Richard-Müller-Schule

Grabsteine auf dem Zentralfriedhof Fulda mit Rosen

Volksbund / LV Hessen

Bereits zum dritten Mal fanden diesen Juli die Projekttage der Richard-Müller-Schule auf dem Zentralfriedhof in Fulda statt. Was ursprünglich als einmalige Kooperation zwischen der Schule, dem Volksbund und der Katholischen Akademie mit finanzieller Unterstützung des Rotary Clubs Fulda begann, hat mittlerweile hohe Wellen geschlagen.

Denn dank des Erfolgs der ersten Projekttage wurde der Zentralfriedhof 2024 in das Forschungsprojekt des Landesverbands Hessen aufgenommen und hat seitdem zwei Informationstafeln erhalten, welche die Geschichte der Grabfelder für die Soldaten, die zivilen und die ausländischen Kriegsopfer des Zweiten Weltkriegs beleuchten.

Nachdem im letzten Jahr die Tragödie im Krätzbachbunker im Zentrum der Projekttage stand, schlugen die Lehrkräfte Daniela Theurer und Rolf Pauthner dieses Jahr das Thema Zwangsarbeit vor. Der Volksbund übernahm die inhaltliche Konzeption und Durchführung. 
Lange Zeit spielte Zwangsarbeit in der deutschen Erinnerungskultur eine untergeordnete Rolle, dabei war sie während des zweiten Weltkrieges beinahe allgegenwärtig. Millionen von Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 nach Deutschland verschleppt und unter oft menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen, sei es in der Landwirtschaft, in Privathaushalten oder in der Industrie. In Fulda wurden Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter vor allem in der Emaille-, Textil-, Wachs-, und Gummi-Industrie eingesetzt. Rund 470 von ihnen liegen auf dem Zentralfriedhof begraben.

"Wie Müll entsorgt"

Das Projekt begann mit einer gemeinsamen Erkundung der Gräberfelder. Während die Soldaten und zivilen Opfer jeweils auf einem klar abgetrennten Feld mit individuellen Namenstafeln liegen, gestaltete sich die Suche nach den ausländischen Kriegstoten bereits schwerer. Denn neben einem klar gekennzeichneten Feld für rund 200 Tote, von denen nur 27 namentlich gekennzeichnet sind, gibt es noch sieben quer über den Friedhof verteilte Massengräber für die 259 ausländischen Opfer der Krätzbachkatastrophe. Sie waren vor allem der Firma Mehler zugeteilt, auf deren Grundstück sich der Eingang zum Krätzbachtunnel befand. Ihre Leichen wurden nach dem Luftangriff in Bombentrichtern auf dem Friedhof vergraben. „Sie wurden wie Müll entsorgt“, wie es einer der Schüler ausdrückte.

Ein Zeitzeuge erinnert sich

Einen besonderen Eindruck hinterließ auch der Zeitzeuge Herbert Ritz. Er wohnte als Kind nahe den Industrieanlagen in der Edelzeller Straße und konnte jeden Morgen die Kolonnen der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sehen, die zu ihren Arbeitsstätten geführt wurden. Dabei kam es zu Drangsalierungen, Schikanen und Misshandlungen. „Manchmal stellten wir ihnen etwas zu Trinken hin. Doch man musste aufpassen, dass man nicht erwischt wurde, denn das war streng verboten“, erinnerte sich Ritz.

Arbeit in den Quellen und am Kriegsgrab

Ausgehend von Originalquellen widmeten sich die Schülerinnen und Schüler in Gruppenarbeiten diversen Teilaspekten der Thematik, setzten sich mit dem Alltag der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter in Fulda, sowie deren Lebensbedingungen und Behandlung auseinander. Sie lernten Einzelschicksale kennen und setzten sich kritisch mit der Aufarbeitung und Entschädigung nach Kriegsende auseinander.

Im Rahmen einer Putzaktion reinigten die Schülerinnen und Schüler die Grabsteine der ausländischen Kriegstoten und kamen den Einzelschicksalen so nochmal besonders nahe. 

Vermitteln, Gedenken, Würdigen

Das Projekt mündete schließlich in einer Gedenkveranstaltung für die ausländischen Kriegstoten, bei welcher die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse in Form einer Posterausstellung präsentierten. Weitere Wortbeiträge kamen vom Projektinitiator und -förderer Gunter Geiger, dem Regionalbeauftragten des Volksbunds Daniel Schrimpf, dem Stadtverordneten Thomas Bobke, Dekan Thorsten Waap, Dechant Stefan Buß und Schulabteilungsleiterin Michaela Wolfschlag.

Die Schülerinnen und Schüler erhielten einstimmiges Lob für ihr Engagement und ihre Bereitschaft, sich während der letzten Tage vor den Sommerferien bei Temperaturen um die 38°C mit Interesse und Elan mit einem ebenso wichtigen wie schweren Kapitel ihrer Stadtgeschichte auseinanderzusetzen. 
 

Zum Abschluss waren alle Gäste dazu eingeladen, eine Rose auf je eines der Gräber zu legen und die lange zu Unrecht vernachlässigten Opfer des Zweiten Weltkriegs so zu würdigen.