Das Deutsche Reich trat in wirtschaftlicher Hinsicht nur ungenügend vorbereitet in den Ersten Weltkrieg ein. Insbesondere die weitgehende Abhängigkeit von Importen bei der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung war nicht ausreichend in den Planungen berücksichtigt worden. In der Folge rief die Blockade der Seehandelswege durch die britische Marine bald eine schwere Ernährungskrise hervor, die sich im langen und kalten Winter 1916/1917 zuspitzte („Steckrübenwinter“) und bis Kriegsende nicht überwunden werden konnte. Insgesamt starben im Ersten Weltkrieg in Deutschland mehr als 400.000 Menschen aus der Zivilbevölkerung an den Folgen der Unterernährung. Unter den Opfern des Hungersterbens waren Patientinnen und Patienten von Heil- und Pflegeanstalten mit rund 70.000 Toten statistisch weit überrepräsentiert.
Max Metzner wurde am 8. September 1883 in Apolda im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach geboren. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs arbeitete er als Kellner in Wiesbaden, wo er mit seiner Frau in der Blücherstraße wohnte. Die Danksagung seiner Angehörigen nach seiner Beerdigung hob die Anteilnahme der Angestellten des Wiesbadener Kurhauses besonders hervor; vielleicht war Max Metzner ebenfalls dort beschäftigt gewesen. Im September 1914 als Reservist eingezogen, diente er während des Krieges als Soldat in einem Armierungsbataillon, einer Einheit, die zu pionierähnlichen Aufgaben wie dem Bau von Stellungen, Grenzsperren, Straßen und Brücken eingesetzt wurde.
Im Frühjahr 1918 machte sich bei Max Metzner ein schweres Nervenleiden mit Lähmungserscheinungen und Demenzsymptomen bemerkbar. Nach Behandlungsaufenthalten in Lazaretten in Wiesbaden und Mainz wurde er im September 1918 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Eichberg im Rheingau eingewiesen. Dort verschlechterte sich sein Zustand in den nächsten drei Monaten rasch. Max Metzner verstarb am 31. Dezember 1918 im Alter von 35 Jahren. Als Todesursache wurde „paralytischer Marasmus“ angegeben, ein Fachbegriff, der eine schwere Form von Unterernährung mit chronischem Kalorien- und Proteinmangel infolge des neurologischen Grundleidens bezeichnete.
In der Heil- und Pflegeanstalt Eichberg hatte das Hungersterben bereits im ersten Kriegsjahr eingesetzt, wie eine Untersuchung des Medizinhistorikers Heinz Faulstich von 1999 zeigen konnte. Mehrere kriegsbedingte Faktoren – Personalmangel, ausgelöst durch Einberufungen von Ärzten und Pflegern, die Rationierung von Lebensmitteln, Sparmaßnahmen der Anstaltsleitung – sowie der Umstand, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der geschlossenen Anstalt diese nicht verlassen und im freien (Schwarz-)Handel Lebensmittel einkaufen konnten, wirkten zusammen und hatten zur Folge, dass die Sterberate unter den männlichen Patienten sich von 5,7 % im Jahr 1914 auf 11,8 % im Jahr 1915 erhöhte. 1916 stieg sie auf 20,5 %, 1917 auf 27,2 % und betrug 1918, dem Todesjahr Max Metzners, mit 20 % immer noch mehr als das Dreifache des letzten Vorkriegswertes. Die Sterberaten in den Frauenabteilungen lagen während des Krieges deutlich unter denen der Männer, ohne sich jedoch der Tendenz zur Steigerung entziehen zu können (1914: 5,4 %, 1915: 5 %, 1916: 11,6 %, 1917: 21,5 %, 1918: 16,1 %).
Dass Max Metzners Tod eine zwangsläufige Folge des kriegsbedingten Hungers in der Anstalt war, ist wahrscheinlich, aber nicht mit letzter Sicherheit zu belegen. Wichtige Hinweise gibt seine Krankenakte, die heute im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden aufbewahrt wird. Sie dokumentiert, dass er zwar nicht mehr in der Lage war, ohne Hilfe zu essen, die Nahrung aber auch nicht verweigerte, wenn sie ihm angereicht wurde. „Nahrungsaufnahme war meist gut“, wurde noch elf Tage vor seinem Tod in der Akte notiert. Bei besserer Ernährung, wie sie in Friedenszeiten verfügbar gewesen wäre, wäre Max Metzners Leben zwar ebenfalls durch Marasmus als typische Begleiterscheinung seiner damals noch unheilbaren Erkrankung bedroht gewesen, doch hätte der Abbau aller Energie- und Eiweißreserven seines Körpers aufgefangen werden können und nicht unaufhaltsam zum Tod führen müssen.
Quellen
- Heinz Faulstich, Der Eichberg im Ersten Weltkrieg, in: Christina Vanja, Steffen Haas, Gabriela Deutschle, Wolfgang Eirund, Peter Sandner (Hg.), Wissen und irren. Psychiatriegeschichte aus zwei Jahrhunderten – Eberbach und Eichberg (Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien, 6), Kassel 1999, S. 129–141
- Hessische Geburten-, Ehe-, Sterberegister (Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen)
- Bestände des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden
- Adressbücher, Zeitungsanzeige: Digitale Sammlungen, Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain