Im Ersten Weltkrieg waren auf deutscher Seite mehr als 90.000 Frauen als (Hilfs-)Schwestern in der Pflege verwundeter und kranker Soldaten tätig. Dies entsprach rund 40 % des gesamten militärischen Sanitätspersonals. Zum Einsatz kamen die Frauen über die verschiedenen Schwesternverbände des Roten Kreuzes, aus protestantischen Diakonissen-Mutterhäusern, als katholische Ordensschwestern sowie aus den jüdischen Schwesternhäusern und -stationen, die in den beiden Jahrzehnten vor 1914 in mehr als einem Dutzend größerer Städte des Deutschen Reichs gegründet worden waren.
Über Marie-Luise von Baehrs persönliche Verhältnisse und über ihren Einsatz als Kriegskrankenschwester ist nur noch wenig in Erfahrung zu bringen. Das Kirchenbuch der Garnisongemeinde Danzig verzeichnete die Taufe der zwei Monate alten Tochter eines preußischen Offiziers und seiner Frau am 29. September 1873. Ihr Vater verstarb, als sie fünf Jahre als war; die Mutter heiratete erneut und trug von da an den Familiennamen „von Wedelstaedt“. Marie-Luise von Baehr selbst blieb unverheiratet. Im Online-Handel fand sich, ohne Angabe zur Herkunft, eine Postkarte mit ihrer Fotografie in Schwesterntracht, die sie im März 1915 einer befreundeten Krankenschwester im Wiesbadener Paulinenstift schenkte. Die in Wiesbaden unterschriebene Karte belegt zugleich, dass Marie-Luise von Baehr sich zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht im Lazarett-Einsatz an einer der Kriegsfronten befand.
Die einzige Quelle, die einen Hinweis auf einen Einsatzort Marie-Luise von Baehrs während des Krieges gibt, ist ihr Grabstein mit der Inschriftzeile „Schwester Laz.[arett] 126“. Worauf sich die Angabe stützte, ist nicht überliefert. Möglicherweise hatte die Familie der Verstorbenen der Wiesbadener Friedhofsverwaltung eine entsprechende Information gegeben, die schließlich in dieser stark verkürzten und damit nicht sicher aufzulösenden Form auf den Grabstein gelangte.
Bei dem erwähnten Lazarett könnte es sich um das „Feldlazarett 126“ gehandelt haben, ein Lazarett im Einsatzraum der deutschen 12. Armee, das von Herbst 1915 bis Herbst 1916 in Białystok im Osten Polens nachweisbar ist – falls nicht die „Kranken-Lazarett-Abteilung 126“ im belgischen Deinze gemeint war. Akten und Personalunterlagen des Feldlazaretts 126 wurden nach dem Ersten Weltkrieg im Heeresarchiv in Potsdam aufbewahrt und verbrannten dort bei einem alliierten Luftangriff im April 1945.
Marie-Luise von Baehr lebte nach dem Ersten Weltkrieg in Wiesbaden und verstarb am 13. August 1922, 49 Jahre alt, in der Wohnung ihrer Familie in der Adelheidstraße an einer Krankheit.
Quellen
- Regina Schulte, Die Schwester des kranken Kriegers. Verwundetenpflege im Ersten Weltkrieg, in: dies., Die verkehrte Welt des Krieges. Studien zu Geschlecht, Religion und Tod (Geschichte und Geschlechter, 25) Frankfurt a. M./New York 1998
- Informationen zur jüdischen Pflegegeschichte: https://www.juedische-pflegegeschichte.de/
- Online-Datenbank Ancestry
- Porträtpostkarte (Privatbesitz)
- Schriftliche Auskunft der Ansprechstelle für militärhistorischen Rat (AmR) des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), Tagebuch-Nr. 24-0049, 20.02.2024
- Jörg Nimmergut, Deutsche Orden und Ehrenzeichen bis 1945. Bd. 2: Limburg – Reuss, München 1997
- Hessische Geburten-, Ehe-, Sterberegister (Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen)
- Zeitungsanzeige: Digitale Sammlungen, Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain