(Ernst) Heinz Wenzel wurde am 21. März 1927 in Mainz geboren. Nach einer Lehre als Spengler und dem Pflichteinsatz beim Reichsarbeitsdienst wurde er Ende 1944 zur Wehrmacht einberufen. Dem Gestellungsbefehl leistete der 17-Jährige jedoch nicht Folge, sondern tauchte unter und versteckte sich in den nächsten Wochen bei Verwandten und Freunden. Unter den Bedingungen der deutschen Militärjustiz des Zweiten Weltkriegs, die ein Instrument des nationalsozialistischen Terrors war, ging er damit ein hohes Risiko ein. Sein Versuch, sich dem Wehrdienst zu entziehen, fiel nach der „Kriegssonderstrafrechtsverordnung“ von 1938 unter den Straftatbestand „Zersetzung der Wehrkraft“, der mit der Todesstrafe geahndet wurde; in „minder schweren Fällen“ konnten auch Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen verhängt werden. Dieselben Strafandrohungen galten grundsätzlich für alle, die dem Untergetauchten halfen und ihn versteckten.
Am 27. Februar 1945 wurden Heinz Wenzel und ein Freund, dessen Eltern ihn zu dieser Zeit bei sich aufgenommen hatten, in Mainz auf der Straße von der Gestapo verhaftet. Ihr Leben war jetzt auf das Äußerste bedroht. Am Nachmittag desselben Tages jedoch griff ein Bomberverband der britischen Royal Air Force Mainz mit mehr als 430 Flugzeugen an. Der Luftangriff – der schwerste, der Mainz im Zweiten Weltkrieg traf – löste einen Feuersturm aus, zerstörte große Teile der Stadt und tötete über 1.200 Menschen. Auch das Gestapogebäude wurde getroffen und geriet in Brand. Im Chaos nach dem Angriff konnten Heinz Wenzel und sein Freund fliehen.
Bei Heinz Wenzels Mutter in Mainz-Gonsenheim trafen sie wenig später auf einen erwachsenen Bekannten. Der 32-jährige Arbeiter aus Wiesbaden hatte bereits als Soldat am Krieg teilgenommen, war mehrmals verwundet worden und hatte Auszeichnungen erhalten. Anfang März 1945 kehrte er jedoch nicht mehr zu seiner in Mainz stationierten Einheit zurück, da er die deutsche Niederlage in Kürze erwartete und vor Kriegsende nicht noch einmal Tod oder Verwundung riskieren wollte. Auch er versteckte sich bei Verwandten und Freunden, zeitweise bei seinen Schwestern in Wiesbaden und auch bei der Familie Wenzel in Mainz.
Am späten Abend des 11. März 1945 wollten die drei Untergetauchten das Versteck wechseln und suchten eine Schwester des Wiesbadener Bekannten auf. Um sie nicht in Gefahr zu bringen, beschlossen sie jedoch noch in derselben Nacht, den Einmarsch der Amerikaner, mit dem sie in den nächsten Tagen rechneten, statt in der Wohnung der Schwester im Wald am Wiesbadener Stadtrand abzuwarten. Dort wurden sie am Morgen von einer Militärstreife entdeckt, die auf sie schoss, als sie wegliefen. Heinz Wenzel wurde verhaftet, ebenso sein Wiesbadener Bekannter, den eine Kugel am Arm getroffen hatte; der Mainzer Freund entkam und überlebte als einziger.
Am nächsten Tag, dem 13. März 1945, wurde Heinz Wenzel aus dem Polizeigewahrsam von einem Gestapobeamten und einem SS-Mann abgeholt, in die Wiesbadener Gestapo-Dienststelle in der Mainzer Straße 14 gebracht und dort erschossen. Um die Ermordung zu verschleiern, behaupteten die Gestapo-Beamten, die Erschießung sei bei einem Fluchtversuch Heinz Wenzels erfolgt. Die Bestattung seiner Leiche im Gelände „Unter den Tannen“ am Rand des Südfriedhofs ist erst für den 18. März belegt. Der im Wald angeschossene Bekannte Heinz Wenzels war zunächst in das Wiesbadener Standortlazarett eingeliefert und dort behandelt worden; auch er wurde am 17. März 1945 von dort durch Gestapo-Beamte in die Dienststelle in der Mainzer Straße verschleppt, durch einen Genickschuss ermordet und am 22. März im Gelände „Unter den Tannen“ begraben. Am Tag seiner Beisetzung, für die seine Ehefrau eine Gebühr von 100 Reichsmark bezahlen musste, beendete der Einmarsch der US-Armee den Terror der Nationalsozialisten in Mainz, sechs Tage später, am 28. März 1945, auch in Wiesbaden.
Während der Bekannte später umgebettet und schließlich in einem Privatgrab auf dem Wiesbadener Nordfriedhof bestattet wurde, verblieb Heinz Wenzels Grab in der stigmatisierenden Randlage des Geländes „Unter den Tannen“, bis es im Jahr 1976 von der Landeshauptstadt Wiesbaden in das Kriegsgräberfeld im Abteil B 1 des Südfriedhofs verlegt wurde.
Zu Beginn der 1960er Jahre gelang es der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Wiesbaden, zwei ehemalige Beamte der Wiesbadener Gestapo-Dienststelle ausfindig zu machen, die in irgendeiner Weise an der Ermordung Heinz Wenzels und seines Bekannten beteiligt gewesen sein mussten. Einer der beiden Männer war im März 1945, damals im Rang eines Kriminalkommissars und SS-Obersturmführers, sogar der Leiter der Dienststelle gewesen. Trotz schwerwiegender Gründe, die insbesondere den ehemaligen Dienststellenleiter belasteten, sah sich der zuständige Untersuchungsrichter nach sechsjährigen Ermittlungen außerstande, die Beschuldigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor Gericht des Mordes oder der Beihilfe zum Mord überführen zu können. Da ein Totschlagsdelikt zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen wäre, wurde das Verfahren eingestellt. Die Morde an Heinz Wenzel und seinem Bekannten aus Wiesbaden blieben ungesühnt.
Quellen
- Manfred Messerschmidt, Die Wehrmachtsjustiz 1933–1945. Hg. v. Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Paderborn u. a. 2005
- Bestände des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden
- Bestände des Stadtarchivs Wiesbaden (bes. StadtA WI Best. Wi/3, NL 133/1)